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Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen

Haushaltsanalyse stützt Bremens Position – aber noch ist nichts gewonnen

Auf über 300 Seiten haben sechs Länder (Berlin, Bayern, Rheinland-Pfalz, Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein) und der Bund nach fünfwöchiger Beratung zusammengefasst, wie sich aus ihrer Sicht die aktuelle Haushaltslage und die Entwicklung der öffentlichen Haushalte der Länder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein darstellen. Hintergrund war die Meldung der drei Länder, dass sie sich nicht in der Lage sähen, ihren Haushalt bis zum Jahr 2019 auszugleichen und daher auch nicht die in der Kommission diskutierten Schuldenbegrenzungen einhalten könnten. Die zahlreichen Graphiken und Tabellen werden im Bericht extrem unterschiedlich bewertet. Kein Wunder bei der jeweiligen Interessenlage und angesichts der noch offenen Klage Bremens vor dem Bundesverfassungsgericht auf Sanierungshilfe.

Bürgermeister Jens Böhrnsen erklärt mit Blick auf den Bericht: "Ich bin froh, dass die beiden Kommissionsvorsitzenden, Günther Oettinger und Peter Struck, die Arbeitsgruppe vorgeschlagen haben. Die Arbeit hat sich gelohnt. Bremen kann jetzt auf der Basis von Fakten statt im Rahmen von weit verbreiteten Vorurteilen beurteilt werden. Der umfangreiche Bericht stellt eine gute Grundlage für die weiteren Beratungen der Föderalismuskommission dar. Der Senat dankt Baden-Württemberg für seine konstruktive und faire Moderation und Leitung." Gleichzeitig warnt Bürgermeister Böhrnsen vor übertriebenem Optimismus in Sachen Sanierungshilfe: "Die statistischen Ergebnisse des Berichts werden extrem unterschiedlich interpretiert. Wir haben alle Zahlen geliefert, unsere Notlage belegt und für Transparenz gesorgt. Dennoch wird es in der Föderalismuskommission II, die sich am 24. April mit dem Bericht beschäftigt, zu harten Auseinandersetzungen kommen. Schließlich müssen extrem unterschiedliche Interessen unter einen Hut gebracht werden. Die notwendige Hilfe für Bremen ist noch lange nicht in trockenen Tüchern." Bürgermeisterin Karoline Linnert ergänzt: "Das Fundament ist gelegt. Ob darauf ein stabiles Haus gebaut werden kann, hängt vom politischen Willen ab. Klar geworden ist: Bremen kommt aus eigener Kraft nicht aus der Schuldenfalle heraus."

Die von der Arbeitsgruppe vorgelegten Daten liefern ein eindeutiges Bild: "Egal, ob öffentliche Sicherheit/Polizei, Justiz, Schulwesen, Hochschulen oder Wohnungswesen – immer wird festgestellt, dass Bremen weniger als die anderen beiden Stadtstaaten ausgibt und weitere Konsolidierungsmöglichkeiten eher unwahrscheinlich sind," fasst Karoline Linnert zusammen (vgl. Tabelle 1 und 2).
Lediglich bei den Investitions-, Zins- und Versorgungsausgaben werde festgestellt, dass Bremen über dem Schnitt liegt (vgl. Tabelle 3). Bürgermeister Böhrnsen: "Bei den Investitionen haben wir bereits umgesteuert. Die hohen Zinslasten unterstreichen gerade, wie dringend wir auf Entschuldungshilfe angewiesen sind."

Losgelöst von diesen Fakten kommt der Bund in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass Bremen aus eigener Kraft einen ausgeglichenen Haushalt erreichen könne. Bürgermeisterin Linnert: "Die von der Arbeitsgemeinschaft zusammengetragenen Daten passen offenbar nicht ins Konzept der Bundesregierung. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, werden die detaillierten Benchmark-Ergebnisse (Stadtstaatenvergleich Bremen-Hamburg-Berlin) schlicht ignoriert."

Statt sich auf die erhobenen Daten zu beziehen, präsentiert der Bund ein abstraktes Rechenmodell, mit dem Bremen sich vermeintlich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen könne: "Diese Münchhausen-Aktion ist unrealistisch", erklärt Finanzsenatorin Linnert. "Der Bund geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass die Primärausgaben de facto nur 0,5 Prozent pro Jahr steigen dürfen – und das über eine Dauer von zwölf Jahren! Das ist angesichts einer Inflationsrate von 1,5 Prozent sowie den aktuellen Tarifabschlüssen außerhalb jeder Realität."

Karoline Linnert fordert alle Beteiligten auf, sich konkret mit den engen Bremer Handlungsspielräumen auseinanderzusetzen. "2006 betrug die Bremer Zinssteuerquote 21,2 Prozent (Länderdurchschnitt 10,2 Prozent)– Tendenz steigend. Der Bericht hat unmissverständlich klar gemacht, dass schon jetzt die Bremer Standards in vielen Bereichen im Stadtstaatenvergleich unterdurchschnittlich sind: Davor können auch starrköpfige Strategen nicht die Augen verschließen."

Bürgermeister Böhrnsen verweist darauf, dass Bremen bereits erhebliche Konsolidierungsanstrengungen unternommen hat. "Weitere drastische Abstriche bei den Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger würden Bremen von der Entwicklung im Bundesgebiet abkoppeln. Wir könnten unsere gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben nicht mehr erfüllen."

Nur vermeintlich hilfreich sind einige Beispiele für Konsolidierungspotentiale, die aus dem Kreis der Föderalismuskommission gemacht werden. So werden z.B. weitere Vermögensveräußerungen gefordert. Dabei hat Bremen zwischen 1994 und 2005 bereits Vermögen im Wert von 2,3 Milliarden veräußert. Weitere Verkäufe wären kontraproduktiv, da sie sich nicht rechnen, wie das Beispiel der Wohnungsbaugesellschaft Gewoba zeigt. Der zu erwartende Erlös würde angesichts der künftig wegfallenden jährlichen Rendite in Millionenhöhe ein schlechtes Geschäft sein. "Man schlachtet doch kein Huhn, das goldene Eier legt", betont die Finanzsenatorin.

Wer wie der Bund vorschlägt, die Bremer Personalkosten zu senken, sollte genauer hinsehen. "Bremen hat überdurchschnittlich hohe Belastungen im Rahmen der Versorgung zu schultern", erläutert Bürgermeister Böhrnsen. "Für die aktiv Beschäftigten zahlt Bremen weniger als Hamburg und Berlin. Durch gestrichene Sonderzuwendungen und strenge Beihilfenregelungen sind in Bremen bereits erhebliche Einschnitte gemacht worden."

Karoline Linnert und Jens Böhrnsen betonen abschließend, dass die rot-grüne Landesregierung auch bei einer solidarischen Schuldenhilfe an ihrem Sparkurs festhalten werde "Wir sind auf die Hilfe von Bund und Ländern angewiesen, damit der Bremer Haushalt saniert wird. Sollte das gelingen, wird auch danach kein Milch und Honig fließen. Sparsame Haushaltsführung, angelehnt an den Standards der anderen Stadtstaaten, so wird weiter die Prämisse lauten."

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