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Das Haus des Reichs

Dienstsitz des Senators für Finanzen in Bremen

Das Haus des Reichs schräg von vorne
Das Haus des Reichs

Das Haus des Reichs liegt zentral in der Bremer Innenstadt, direkt an den Wallanlagen. Das Haus des Reichs ist ein prunkvolles Kontorhaus aus den 1920er Jahren, das Expressionismus und Art Deco miteinander vereint. Das Haus hat in den Jahrzehnten seit seiner Erbauung eine abwechslungsreiche und spannende Geschichte erlebt, über die Sie sich auf diesen Seiten informieren können.

1. Einleitung

Außenaufnahme Haus des Reichs
Der Haupteingang

"Wie kein anderes Bremer Haus in den 20er Jahren wurde die Nordwolle-Hauptverwaltung zu einem Kunstwerk geformt, zu einem Gesamtkunstwerk. [...] Das Nordwolle-Haus ist ein Bauwerk als Kunst. Die Kunstwerdung des Bauwerks sollte nicht nur die wirtschaftliche, sondern vor allem die geistige Größe der Bauherren herausstellen. Die Lahusens wollten kein austauschbares Kontorhaus bauen, wie sie es in Hamburg dutzendfach gesehen hatten. Sie wollten einen einmaligen Verwaltungspalast schaffen, der noch der Nachwelt von ihrer Größe zeugen würde. Das Unternehmen war plötzlich nicht mehr ein Instrument, um Geld zu verdienen, sondern Instrument, um eine persönliche Legende zu bauen. Insofern haben die Lahusens zumindest versucht, ihre bürgerliche Existenz in eine fürstliche zu transformieren."
So beschreibt Nils Aschenbeck die Besonderheit in seinem Beitrag für das Buch "Haus des Reichs - Von der Nordwolle zum Senator für Finanzen". Architektur und Geschichte eines Bremer Verwaltungsgebäudes.

Heute hat das Finanzamt seinen Sitz im Haus des Reichs

Das Haus des Reichs nimmt bei vielen Bremerinnen und Bremern im kollektiven Gedächtnis einen unübersehbaren Platz ein. Das hat sicher mit dem Finanzamt Bremen und dem zugehörigen Dienstleistungszentrum zu tun, die hier neben dem Senator für Finanzen ihren Sitz haben. Es hängt aber zweifellos auch mit der engen Verbindung der Historie dieses Hauses und mit der Geschichte der Stadt zusammen.
Errichtet als sinnfälliger Ausdruck des wirtschaftlich prosperierenden Bremens der 20er Jahre, das sich zur Drehscheibe des Amerika-Europa-Verkehrs entwickelt, hat sich die Funktion und Nutzung des Haus des Reichs mit dem Aufsehen erregenden Zusammenbruch der Nordwolle in einer wirtschaftlichen Krisenzeit völlig verändert. Zunächst wurde es zum Sitz der Finanzverwaltung, später nutzten es die Nationalsozialisten für ihre Zwecke und nach dem zweiten Weltkrieg diente es den amerikanischen Besatzern.

2. Geschichte des Hauses

Innenaufnahme Haus des Reichs
Der Treppenaufgang

Die Geschichte des Baudenkmals ist eng verwoben mit dem Aufstieg und Fall der "Norddeutschen Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei AG", gemeinhin Nordwolle genannt, und dem Schicksal der Bremer Unternehmer-Dynastie Lahusen. Aus einem Handel mit Fellen und Häuten an der Weser zu Beginn des 19. Jahrhunderts war in der Folge der Generationen die Nordwolle geworden. Sie war der größte europäische Wollkonzern, bei dem 1930 weltweit über 22.000 Menschen an 400.000 Spindeln 22,1 Millionen Kilogramm Rohgarn produzierten. Mit der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung Bremens in den 20er Jahren entschieden sich die Brüder Georg Carl, Heinz und Friedel Lahusen, den Firmensitz von Delmenhorst zurück nach Bremen zu verlegen. Die Wahl fiel auf ein Grundstück in der großbürgerlichen Vorstadt und in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofes - an der Contrescarpe. Beauftragt mit dem Bau der Hauptverwaltung der Aktiengesellschaft wurden zwei junge und weitgehend unbekannte Bremer Architekten: die Brüder Hermann und Eberhard Gildemeister.

Konkurs kommt vor feierlicher Einweihung

Im März 1928 begannen die Ausschachtungsarbeiten, zwei Jahre später konnten die ersten Mieter einziehen. Im Februar 1931 - wenige Monate vor dem Konkurs der Nordwolle - erfolgte die Schlussabnahme des Bauwerks. Zu einer feierlichen Einweihung des Hauses kam es aber nicht mehr - im Juli wurde das Konkursverfahren eröffnet und die Brüder Georg Carl und Heinz Lahusen in Untersuchungshaft genommen. Es bestand dringender Tatverdacht, gegen die Konkursordnung verstoßen zu haben, was damals in Bremen und im gesamten Deutschen Reich für größtes öffentliches Aufsehen und erhebliche Unruhe sorgte. Nicht nur der Bremer Senat, auch die Reichsregierung und Reichskanzler Brüning waren eingeschaltet. "Nordwolle", so stellt ein zeitgenössischer Autor fest, war "unlöslich verbunden mit dem Namen Lahusen - das war Bremen, das war die Hansestadt. [...] Nordwolle - das war der Inbegriff deutschen Reichtums, deutscher industrieller Tüchtigkeit, Solidität und Kreditwürdigkeit".

Innenaufnahme Haus des Reichs
Der Eingangsbereich

Gebäude erhält Namen "Haus des Reichs"

1934 ging das Gebäude an das Reichsfinanzministerium und damit an das Deutsche Reich über - daher auch der Name "Haus des Reichs". Das Landesfinanzamt Weser-Ems zog ein. Während der nationalsozialistischen Herrschaft residierten dort unter anderem der NSDAP-"Reichsstatthalter" und der Gauleiter. Während des Krieges wurde das Gebäude im Vergleich zu den starken Zerstörungen durch Bombardierungen in der unmittelbaren Umgebung nur relativ gering beschädigt. Fast alle Repräsentationsräume und bedeutenden Architekturdetails blieben erhalten. Nur die Kantine mit ihren schönen Speisesälen wurde zerstört.

Rund 1.000 Beschäftigte arbeiten heute im Haus des Reichs

Nach Kriegsende wurde das Haus von der amerikanischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und Sitz der Militärregierung für Bremen und Bremerhaven. 1947 konnten die ersten Teile der deutschen Finanzverwaltung wieder in das Gebäude zurückkehren. 1954 nahmen der Internationale Schiedsgerichtshof und die Gemischte Kommission für das Abkommen über deutsche Auslandsschulden ihren Sitz im "Haus des Reichs". Heute beherbergt es neben dem Senator für Finanzen, das Finanzamt Bremen sowie die Landeshauptkasse Bremen. Zur Zeit arbeiten dort insgesamt ca. 1.000 Beschäftigte.

3. Das "Haus des Reichs" als Gesamtkunstwerk

Rundes Treppenhaus im Haus des Reichs
Die Treppenhäuser

Das Erstlingswerk der Gebrüder Gildemeister hat Nils Aschenbeck in dem Buch zurecht als "eigenwilliges Gesamtkunstwerk" der späten 20er Jahre, "das kein unmittelbares Vorbild hat" bezeichnet. Das "Neue Bauen", der Expressionismus und schließlich das Art Deco beeinflussten die Architekten. Dabei passte sich das Nordwolle-Kontor in die Bebauung der Contrescarpe durchaus ein. Es lohnt sich, der Fassade am Haupteingang und der Innenarchitektur des Hauses ein wenig Aufmerksamkeit zu widmen. Man stößt auf einen spannenden Formen- und Farbenreichtum, der bis ins kleinste Detail reicht: von den verschiedenfarbigen Türgriffen aus dem Kunststoff Galalith, über die Makassar-Ebenholz-Vertäfelungen bis zu den individuell gestalteten Kronleuchtern.
Blick in das Treppenhaus vom Haus des Reichs

Gängiges Repertoire der expressionistischen Architektur

"Man erkennt", so Nils Aschenbeck in seinem Bucheintrag, "gerade in den Terrakotta-Arbeiten expressionistische Formen. Auch die dunklen, höhlenartigen Eingangsbereiche gehören zum gängigen Repertoire der expressionistischen Architektur [...]". Daneben kannten die beiden Gildemeisters sicherlich die Kinofilme der Zeit - darunter Metropolis. Die beiden Figuren an den Handknäufen des Treppengeländers in der Eingangshalle erscheinen wie Übernahmen aus derartigen Science-Fiction-Filmen. Der Mann, der dank seines beflügelten Kopfschmuckes meist als Götterbote Hermes identifiziert wird, und die Frau, deren kristalline Körperform allein keine Deutung nahe legt, sind ein Stück Zeitgeist. Sie spiegeln geradezu die 'wilden' zwanziger Jahre, in denen alles möglich war, in denen Zukunft ein Abenteuerspielplatz voller Hoffnungen, Herausforderungen, Vergnügungen aber auch Gefahren war. In Gildemeisters Innenarchitektur war das riskante Gehändel der Lahusen Brüder genauso denkbar wie beispielsweise ein Bananentanz der Josephine Baker."

Rundes Treppenhaus im Haus des Reichs
Kunst auf allen Etagen

Haupteingang war nur den Direktoren vorbehalten

Wer vom Hauptbahnhof auf das Gebäude zuging, durfte allerdings in aller Regel nicht durch den Haupteingang am heutigen Rudolf-Hilferding-Platz das Gebäude betreten. Er war allein den Direktoren der Nordwolle und den Kunden der Luce-Bank vorbehalten, die im Hochparterre Mieter war. Alle anderen mussten sich zu dem unauffälligen Nebeneingang Schillerstraße / Ecke Rövekamp bemühen. Die getrennten Eingänge sind Ausdruck der strikten Trennung, die das gesamte Bauwerk charakterisiert: Die Nordwolle-Direktion, die Nordwolle-Angestellten und die Mieter arbeiteten zwar in einem Gebäude, aber geradezu in getrennten Systemen, eine Verbindung zwischen diesen Parteien konnte und sollte nur sehr selten zustande kommen.

Funktionalität als Grundsatz der Bauherren

Die Funktionalität, das größtmögliche Maß an rationeller und effektiver Arbeit war einer der Grundsätze der Bauherren. Die Paternoster konnten erheblich mehr Menschen in erheblich kürzerer Zeit transportieren als ein herkömmlicher Fahrstuhl. Die Turmuhr zur Contrescarpe zeigt den vom Hauptbahnhof heraneilenden Angestellten, wie viel Zeit ihnen noch bleibt. Das gleiche gilt für den freistehenden, fünf Meter hohen Uhrenturm im ebenfalls repräsentativ gestalteten Innenhof. "Das 'Wirken nach Innen', der geradezu psychologische Einsatz der Gestaltung, ist eine Eigenart des Nordwolle-Hauses. Die Bauherren, die Lahusens, hatten offenbar erkannt, dass der Blick aus dem Fenster zu den häufigsten Beschäftigungen der Angestellten gehört", schreibt Nils Aschenbeck. Für die heutigen Mitarbeiter dieses Hauses soll diese Behauptung natürlich nicht gelten.

Haus des Reichs ist bis heute ein bedeutendes Kunstwerk

Als Resümee zum Haus des Reichs halten die Autoren Vos und Aschenbeck fest, dass mit dem Bau des Verwaltungsgebäudes der Norddeutschen Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei für Bremen und für den norddeutschen Raum ein Werk entstanden sei, das in seiner gestalterischen Qualität und in seiner zeitlichen Einordnung durch keinen vergleichbaren Bau übertroffen worden sei.

Weitere Informationen

Das Buch zum Haus des Reichs

Weitere Informationen zum Haus des Reichs finden Sie in dem Buch "Haus des Reichs - Von der Nordwolle zum Senator für Finanzen". Leider ist es im Buchhandel vergriffen, ein Erwerb jedoch über Antiquariate möglich.

Buchangaben

Der Senator für Finanzen (Hg): "Haus des Reichs - Von der Nordwolle zum Senator für Finanzen"
Architektur und Geschichte eines Bremer Verwaltungsgebäudes
Bremen 1999
Verlag H.M. Hauschild GmbH
ISBN 3-931 785-37-8

Mit Beiträgen von:

  • Nils Aschenbeck
  • Christiane Braun
  • Hans-Christoph Hoffmann
  • Karl-Dieter Lambrecht
  • Hans-Joachim Manske
  • Christian Müller
  • Hans-Hermann Precht
  • Dietmar von Reeken
  • Axel Vos

Bildautor:
Rüdiger Lubricht